Freitag, 20. Februar 2009

Chaotische Ordnung

Für manche Menschen bedeutet es eine unerträgliche Zumutung, am Morgen noch nicht zu wissen, was es zum Abendessen geben wird. Für sie bietet ein genau geplanter Ablauf des Lebens Sicherheit und Energieoptimierung. Ein bewährt funktionierendes System als Grundlage für die Art von Freiheit, die auf alles vorbereitet sein lässt.
Dann gibts andere, die ihre Lebensfreude daraus beziehen, sich überraschen zu lassen. In der Möglichkeit, auf das Unerwartete reagieren zu können, liegt ihre wichtigste Energiequelle. Auch diese Art der absichtlichen Nicht-Planbarkeit des Lebens könnte als ein System verstanden sein. Eine bewusste Entscheidung, sich nicht durch Vorsätze einengen zu lassen und damit dem Chaos ihren eigenen Ordnungsstempel aufzudrücken.

Was passiert nun aber, wenn je ein Vertreter der einen und der anderen Spezies aufeinander treffen und miteinander ein Team bilden müssen? Haben sie überhaupt eine Chance, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen zu können? Kommen sie zu einem fruchtbaren Ergebnis? Können sie gar von einander profitieren? Muss dazu ein jeder seine "Ecke" verlassen oder werden sie einander verständnislos umkreisen und niemals eine Schnittstelle finden, auf der es zu einer Begegnung kommt?

Ich denke, dass es nicht nur im Bereich des Möglichen ist, dass dieses Team etwas Brauchbares zustande bringt, ich behaupte sogar, dass sie miteinander zu höheren Weihen aufsteigen, als jeder für sich dazu in der Lage wäre. Der Schlüssel zu einer Symbiose, von der beide profitieren, liegt einerseits in dem Anerkennen des jeweils Verschiedenen und andererseits in der Überzeugung, dass der andere sich ebenso sicher auf seinem Terrain bewegt, wie man selbst.
Damit aber überhaupt etwas geschaffen werden kann, verlangt es von beiden etwas ab, das niemand (nicht nur in der Geschäftswelt) allzu gerne und freizügig hergibt: einen Vertrauensvorschuss. Denn Beweise gibt es vor Beginn einer Zusammenarbeit kaum. Kennt man sich doch in der "fremden" Welt nicht aus und kann das Denken und Handeln des anderen meist nicht nachvollziehen. Man muss sich also auf die gemachten Zusagen und den guten Willen verlassen - was dem Chaosvertreter möglicherweise leichter fällt, als dem Ordnungsfanatiker.
Der Wille zu dem gemeinsamen Werk mag die Grundlage sein.
Die Verständigung auf eine chaotische Ordnung vielleicht das Tor zur neuen Seligkeit.

Ich werde meine Theorie auf ihre Tauglichkeit testen (und lasse es offen, zu welcher der beiden Kategorien ich mich selbst zähle ... )

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hmmm... meine Erfahrungen sind ganz gewiss nicht zu verallgemeinern und jeder empfindet anders - aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass bei kreativer Zusammenarbeit wie in einer guten Beziehung schon auch Gemeinsamkeiten da sein sollten und auf alle Fälle beidseitig jede Menge Empathie.
Denn irgendwann kommt der Punkt, wo die Kreativität Machtspielchen treibt und dann kracht's.

Praktisch gesprochen: Eine überkrittelige Beamtenseele von Lektor kann einen sehr intuitiv arbeitenden Autor zerbrechen. Ein absoluter Komm-ich-heut-nicht-komm-ich-morgen-Agent treibt ordentliche Autoren auf die Palme.

Am idealsten ist einfach, wenn sich beide ganz auf den anderen einlassen können - dass man gemeinsam "herumspinnen" kann und dann auch wieder strukturiert an die Sache rangehen. Nicht, wann es die Persönlichkeit einfordert, sondern wann es die Geschichte braucht. Und dann haben beide etwas dazugelernt...

In diesem Sinne wünsch ich dir herzlich fruchtbarsten Austausch!
Petra

teamor hat gesagt…

Liebe Petra,
du bringst es wieder einmal auf den Punkt. Genau dieses "auf einander einlassen" habe ich mit dem Vertrauensvorschuss gemeint. Und da bei dieser vom Schicksal gebildeten "Partnerschaft" das Werk im Mittelpunkt steht, bin ich hoffnungsvoll, dass das gemeinsame Ziel über den offensichtlichen Persönlichkeitsunterschieden stehen wird.
Außerdem ist es eher ein "Hand-zu-Hand" als ein tatsächliches immer wieder verwobenes "Miteinander". Insofern geht es hauptsächlich darum, Professionalität und damit Handschlagqualität zu beweisen.
Und das sollte möglich sein.
Herzlich
Gabi

Anonym hat gesagt…

Dazu wünsch ich dir alles Gute, Gabi! Und das Schöne bei professionellen Handschlägen ist ja, dass man sie lösen kann, wenn es nicht klappen sollte.
LG, Petra