Freitag, 27. Februar 2009

Ins Herz schreiben

Heute (genau genommen gestern ... Ich will mir doch endlich eine exakte Ausdrucksweise angewöhnen!) habe ich eine sehr interessante Hausübung bekommen.
Schreibe zu jedem deiner Charaktere ungefähr 10 Seiten.
Wurscht was. Was mir zufällt. Was er mir sagt. Was ich ihm sagen will.
Ich habe mit dem angefangen, von dem ich am wenigsten wusste. Ich hatte ein diffuses Gefühl für ihn, aber sonst schon gar nichts. Keine Ahnung, welche Rolle er spielen sollte. Keinen Tau, wie er auf seine Umwelt reagiert. Nicht Aussehen, nicht Sprache, nichts in 3-D.
Die ersten Zeilen ließen sich erwartungsgemäß zäh an. Ich hatte keine Vorstellung, wie ich mich ihm nähern sollte. Schreibe ich eine Szene? Schreibe ich über ihn? Lass ich ihn vielleicht am besten in einer Ich-Form reden? Ich liebäugelte mit allem ein bisschen. Dann aber schaltete ich mein planendes Hirn aus und bin in seine Haut geschlüpft. Was erlebt er als erstes? Aufstehen natürlich! Und wie ist das für ihn?
In diesem Moment hat er begonnen, mir nach und nach seine Seele auszubreiten. Ich war überrascht, wie klar er sich ausgedrückt hat. Wie eindeutig seine Bedürfnisse zum Vorschein kamen. Dass er sensibel ist, war das einzige, das ich von Anfang an wusste. Aber in welcher Form sich seine übermäßige Empathiefähigkeit äußert, hat mich selbst am meisten überrascht.
Ich bin schwer beeindruckt. Von ihm. Und von der Methode.
Es kommt einem Adoptionsverfahren gleich. Und so wird die Zahl meiner Familienmitglieder in den nächsten Tagen wohl sprunghaft ansteigen. Mal sehen, ob ich dann auch erhöhte Familienbeihilfe beantragen kann ...

Mittwoch, 25. Februar 2009

Was haben die Babylonier mit meinem verpassten Date zu tun?

Seit wann gibt es eigentlich die Einteilung der unfassbaren Unendlichkeit in Tage, Stunden und Minuten? Wer hat bestimmt, in welchem Augenblick die Zahl der Datumsanzeige umklappt? Wem haben ich es zu verdanken, dass aus dem Morgen ein Heute wird, obwohl es für mich gefühlsmäßg noch Morgen bedeutet? (Weil mein tatsächlich erlebtes Morgen eben erst mit dem Aufstehen anfängt, ein richtiges Heute zu sein).

"Der Tag begann mit Sonnenuntergang, was sich aus der Gewohnheit, den Beginn des Monates von der Sichtbarkeit des Neulichtes am Abend zu bestimmen, herleitet. Für die sternkundlichen Rechnungen wurde der Tag häufig von Mitternacht an gerechnet." (aus dem 3. Teil "Astronomie der Babylonier" der Astronomischen Vereinigung Augsburg E.V.)

So bin ich also Dank der Frage nach dem Verursacher für mein verpasstes Date zur Erkenntnis gelangt, dass babylonische sternkundliche Berechnungsarten schuld daran sind, dass ich mit der Benennung meines gefühlten Tageszustandes irritierende Informationen unter die Leute bringe. Insofern kann ich mich nicht einmal bei irgendeinem der Hammurapis oder Nebukadnezars beklagen, sie hätten auf meine Lebensgewohnheiten keine Rücksicht genommen. Obwohl: Dass es offenbar schon bei den Babyloniern so nachtaktive Wesen gab, die mit dem ersten Mondlicht ihren Tag begonnen haben, finde ich schon wieder sehr attraktiv. So gesehen hätte ich schon viel früher von Heute sprechen sollen - und mein Date nicht in die Irre geleitet ...

Dass ich die Zeit, die eigentlich meinem Date vorbehalten war, trotzdem sinnvoll genützt habe, beweist einmal mehr mein nachtaktives Naturell. Immerhin habe ich die vielen herumschwirrenden Einzelteile in eine halbwegs logische Reihenfolge gescheucht und sogar mit den Bezeichungen des Drei-Akt-Modells übertitelt. Und eine recht pompöse Klimax hätte ich auch zusammengesponnen. Ich bin gespannt, was mein Date dazu sagt, wenn wir dieses morgen nachholen werden - außer, ich habe es mit meinen Abhandlungen über Heute und Morgen nun endgültig verwirrt.

Kopfpflanzen

Der zweite Anlauf hat sich zu Beginn ziemlich zäh gestaltet, aber nun nimmt der Schlitten nach und nach Fahrt auf. Ich merke das am deutlichsten an der Tatsache, dass die zu reformierenden Teile der Geschichte immer ausgedehnteren Platz in meinem Kopf beanspruchen. Aus ein paar winzigen Ideenstämmchen sprießen Tag für Tag (und vor allem Nacht für Nacht!) mehr Triebe, die ziemlich unverblümt meine Gehirnwindungen auffüllen und die (nagelneue!) Tastatur zum Klappern bringen.
Noch ist es Wildwuchs, der dringend ein Stöckchen zum Hinaufranken benötigt. Aber das Herzklopfen, dieses Pummerin-anmutende Dröhnen im Bauchraum, lässt mich sicher sein, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es gibt einen neuen Kriminal-Fall, der keine neue Hintergrundgeschichte braucht, sondern sich logisch aus der größtmöglichen Angst der Protagonisten entwickelt. Es gibt Verdachtsmomente, die für jeden aus seiner Sicht zwingend erscheinen. Und es gibt jede Menge falsche Fährten.
Was mir noch fehlt ist ein bombiger Knaller zum Schluss.
Aber ich bin sicher, dass mir das bei der Anzahl von Schlingpflanzen im Hirn auch noch blühen wird.
Und außerdem gibts morgen und übermorgen noch prächtigen Dünger. Da gießt der Guru sein Manna vom Dramaturgenhimmel. Was kann meinen Kopfpflänzchen besseres passieren?
Ich freue mich aufs Gießen, Zupfen und Unkrautjäten.

P.S.: Hiermit habe ich diesen Herrschaften hoffentlich auch Genüge getan :-)) Aktualisierte Grüße an die GZAB!

Freitag, 20. Februar 2009

Chaotische Ordnung

Für manche Menschen bedeutet es eine unerträgliche Zumutung, am Morgen noch nicht zu wissen, was es zum Abendessen geben wird. Für sie bietet ein genau geplanter Ablauf des Lebens Sicherheit und Energieoptimierung. Ein bewährt funktionierendes System als Grundlage für die Art von Freiheit, die auf alles vorbereitet sein lässt.
Dann gibts andere, die ihre Lebensfreude daraus beziehen, sich überraschen zu lassen. In der Möglichkeit, auf das Unerwartete reagieren zu können, liegt ihre wichtigste Energiequelle. Auch diese Art der absichtlichen Nicht-Planbarkeit des Lebens könnte als ein System verstanden sein. Eine bewusste Entscheidung, sich nicht durch Vorsätze einengen zu lassen und damit dem Chaos ihren eigenen Ordnungsstempel aufzudrücken.

Was passiert nun aber, wenn je ein Vertreter der einen und der anderen Spezies aufeinander treffen und miteinander ein Team bilden müssen? Haben sie überhaupt eine Chance, sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise einigen zu können? Kommen sie zu einem fruchtbaren Ergebnis? Können sie gar von einander profitieren? Muss dazu ein jeder seine "Ecke" verlassen oder werden sie einander verständnislos umkreisen und niemals eine Schnittstelle finden, auf der es zu einer Begegnung kommt?

Ich denke, dass es nicht nur im Bereich des Möglichen ist, dass dieses Team etwas Brauchbares zustande bringt, ich behaupte sogar, dass sie miteinander zu höheren Weihen aufsteigen, als jeder für sich dazu in der Lage wäre. Der Schlüssel zu einer Symbiose, von der beide profitieren, liegt einerseits in dem Anerkennen des jeweils Verschiedenen und andererseits in der Überzeugung, dass der andere sich ebenso sicher auf seinem Terrain bewegt, wie man selbst.
Damit aber überhaupt etwas geschaffen werden kann, verlangt es von beiden etwas ab, das niemand (nicht nur in der Geschäftswelt) allzu gerne und freizügig hergibt: einen Vertrauensvorschuss. Denn Beweise gibt es vor Beginn einer Zusammenarbeit kaum. Kennt man sich doch in der "fremden" Welt nicht aus und kann das Denken und Handeln des anderen meist nicht nachvollziehen. Man muss sich also auf die gemachten Zusagen und den guten Willen verlassen - was dem Chaosvertreter möglicherweise leichter fällt, als dem Ordnungsfanatiker.
Der Wille zu dem gemeinsamen Werk mag die Grundlage sein.
Die Verständigung auf eine chaotische Ordnung vielleicht das Tor zur neuen Seligkeit.

Ich werde meine Theorie auf ihre Tauglichkeit testen (und lasse es offen, zu welcher der beiden Kategorien ich mich selbst zähle ... )

Dienstag, 17. Februar 2009

Wieviel Autismus darf sein?

Bisher hatte ich eine einfache Regel: Niemand (ohne Ausnahme!) bekommt meine Geschichte zu lesen, bevor ich sie für mich nicht im ersten Durchgang für fertig erklären kann. Ich bin - trotz wachsender Freude am Plotten und der Erkenntnis, dass ein gewisses Grundgerüst wirklich von Vorteil ist - beim Schreiben nie vor überraschenden Wendungen gefeit (und will das auch gar nicht sein!) Ich schätze die spontanen Eingebungen, die mir aus der Geschichte erwachsen, genau dann, wenn diese selbst aus der Planungsphase ins Leben tritt.
Da kann schon mal aus einem geplanten Täter ein Mitwisser werden. Ein Erzählstrang sich weiter verschlingen, als gedacht oder ein Detail zu einem entscheidenden Bestandteil werden, der sich plötzlich als roter Faden durch die Story zieht. So etwas kann ich nie im Leben voraussagen. Das ergibt sich auch ausschließlich dann, wenn ich meiner Geschichte Raum und Zeit zur Entwicklung gebe und sie nicht mit Grenzen oder Einschränkungen maßregle.

Ich kann Schwerpunkte setzen, aber was sich darum ranken will, das lässt sich von mir nicht voraussagen.
Genau das liebe ich am Schreiben. Wenn ich mir in dieser Phase Fesseln anlege, geht für mich das Wesentliche verloren: nämlich das Entwicklungspotenzial der Figuren.
Jede Einmischung von außen, Ratschläge, Hinweise, Ver- oder Gebote, die nicht ich selbst zuvor für den Plot festgelegt habe, sind solche Fesseln, die meine - und vor allem die Kreativität der agierenden Personen - im Keim ersticken.
Das bedeutet nicht, dass ich völlig zügellos den Plot rennen lasse und ihm keinen Rahmen stecke! Mir ist es wichtig, in den groben Zügen der Geschichte die Zügel in der Hand zu halten. Aber ich will und kann mich nicht darauf festlegen, wo und wann die eine oder andere Figur mehr Raum benötigt, mehr Zuwendung, Hintergrund, Information. Das ergibt sich für mich ganz organisch beim Schreiben.

Und vor allem in der Planungsphase brauche ich das Vertrauen zu meiner Fähigkeit, eine Storyline entwerfen zu können, die "zieht", die nicht langweilt, die Geheimnisse hat, die zunächst nur ich kenne. Niemand kann da in meinen Kopf schauen. Niemand kann mir daher in dieser Phase einen Tipp geben, der mich nicht aus dem Gleichgewicht wirft.

Ich weiß nicht, ob ich da übersensibel, hypernervös oder autistisch bin.
Aber ich weiß, dass es mich aus der Bahn wirft und die Alarmglocken einer Blockade schrillen, wenn ich mich in dieser Frühphase bedrängt fühle.
Kann man das kommunizieren, ohne jene vor den Kopf zu stoßen, die es "nur gut meinen"?

Sonntag, 15. Februar 2009

What a feeling ...

Die letzten Tage habe ich mich wie vor einer Geburt gefühlt.
Unruhe. Nestbautrieb. Herumtigern in der Wohnung. Sinnloses Hin- und Herräumen.
Da will was raus! Das war mir klar.
Der Verstand sagte mir, ich sollte auf das angekündigte Gespräch mit dem Guru warten. Die Logik sagte mir, dass es noch viele Bruchstellen und Fragezeichen im Plot gibt, dass mancher Nebenstrang nicht sitzt und das Ende noch fragwürdig ist. Der Bauch aber grummelte und bohrte und drängte zum Aufbruch.
Ich könnte doch wenigstens den Prolog ... der steht doch seit Anbeginn der Planung schon fest ... an dem ändert sich bestimmt nix ... Büdde! Büdde! Ich will aber! Jetzt! Sofort!

Ich konnte diesem Ansturm nicht mehr standhalten. Und habe meinen Prolog geschrieben.
Oh yeah!
Und ich fühle mich ..... einfach großartig!
Ich kanns noch! Die Bilder kommen, lassen sich in Worte fassen. Ich schlüpfe in die Haut meiner Portagonistin. Bin 3 Jahre alt. Erlebe eine schreckliche Facette des Balkankriegs durch die Augen eines unschuldigen Kindes.
Und es fühlt sich stimmig an.

Ich denke, ich bin dem Virus wieder einmal unheilbar verfallen.
Und ich bin so glücklich, wie seit Wochen nicht mehr.

Apropos Virus: Die ganze letzte Woche litt ich unter Durchfall. Seit heute ist er schlagartig vorbei ... Ob das tiefenpsychologisch etwas zu bedeuten hat?

Dienstag, 10. Februar 2009

Plong!

Mein Vertrag ist da!
Langsam glaube ich es wirklich - Schwarz auf Weiß steht es da: "Schachzüge (Labyrinthe-Krimi)" - und "Wir freuen uns schon sehr auf dieses Projekt."
Eigentlich komisch. Ich dachte, ich würde Purzelbäume schlagen, durch die Gegend hüpfen und gröhlen. Dabei sitz ich nur so da und schau auf die Buchstaben, die Sätze, die Paragraphen - und spüre es nur langsam hochkrabbeln. Vom Bauch bis in den Kopf ist der Weg offenbar ganz schön lang.
Aber ein kleines Grinsen stellt sich inzwischen schon ein.
Und es wird breiter ...

Montag, 9. Februar 2009

Das Eigenleben einer Geschichte

Das ist ja eigentlich eine Binseweisheit: Romane haben ein Selbstbewusstein. Sie drängen sich nicht nur in deinen Alltag, bestimmen deine Träume und übertönen jegliche Nebengeräusche des Lebens; sie übernehmen durchaus gerne auch die tragende Rolle in einer systemischen Aufstellung.
Heute hat mein neues Buchprojekt mit mir gesprochen.
Wunderschön wars anzusehen, wie es so dastand, mit durchgedrücktem Rücken, aufgeplustert die Arme in die Seiten gestützt. Und gestrahlt hats über das ganze Gesicht.
"Schreib mich genau so, wie du es geplant hast", hat es gesagt und dabei das Kinn gegen die Welt gereckt. "Ich gefalle mir so." Und genickt hats und sich angeschmiegt, als ich den Arm um seine Schultern gelegt hab. Und siehe da, auch das Gegenüber hat genickt. Hat gesagt "Ja, gut. Schreib das. Wir wollen die Geschichte. Sie ist gut. Wir werden sie drucken."
Ein schöner Traum?
Vielleicht.
Aber auf jeden Fall ein Appell an mein Selbstvertrauen.
Ich habe meinem Projekt zugehört. Es hat mir gezeigt, dass es weiß, was es sich wert ist.
Das hat mich stolz und glücklich gemacht. Und alle Zweifel beiseite geräumt.
Dann warte ich jetzt noch den Segen des Gurus ab - und dann geht es endlich, endlich los!
Ein Hoch auf die moderne Psychologie :-))

Mittwoch, 4. Februar 2009

Fahnen & Flaggen

Das Leben auf hoher See ist Schwerarbeit. Dem geglückten Einlaufen in den Heimathafen geht eine ordentliche Schufterei voraus. Die Fahnen meines Schiffchens waren doch renovierungsbedürftiger, als ich angenommen hatte und meine Nächte entsprechend kurz. Zwischendurch hatte ich immer wieder mal das Bedürfnis, hilfesuchend die weiße Fahne zu hissen. Aber schließlich war dann doch Land in Sicht - und mit dem festen Boden unter den Füßen stellt sich auch prompt wieder die Glückseligkeit ein, die diesen Dauergrinser ins Gesicht tätowiert. Und das Abenteuer auf hoher See wird zu einer spannenden Geschichte, die man gerne in gemütlicher Runde am Lagerfeuer zum Besten gibt.

Das Paket ist geschnürt und letzte Dankesworte werden in Form gegossen.
Das Kind hat tatsächlich laufen gelernt. Es hat sogar schon einen endgültigen Namen und ein wirklich hübsches Kleid! Und ich freue mich sehr über diese gelungene Taufe.

Über meinem nigelnagelneuen zweiten Schiff weht im Moment allerdings die Flagge mit dem Totenkopf und den gekreuzten Gebeinen. Eigentlich dachte ich, damit in Kürze in See zu stechen, doch dringende Umbauarbeiten zwingen mich zu einem verlängerten Aufenthalt in der Werft.
Einen schnittigen Zweimaster wollte ich ins Rennen um den Schatz der Meere schicken, doch offenbar hat er zuviel Ballast an Bord. Die Mannschaft scheint überbesetzt, der Kapitän hat Probleme mit dem Sextanten und will sich nicht auf eine eindeutige Reiseroute festlegen. Ich als Reeder sympathisiere mit seinem Wunsch nach Geheimniskrämerei und Spontaneität. Der Auftraggeber aber will seine Ware auf schnellstem Weg am Zielort wissen.
Keine Ausflüge auf die sieben Meere! Runter mit der Piratenflagge! Wir sind seriös geworden, die Freibeuterei ist was für Käptn Sparrow und seine unberechenbaren Gesetzlosen.
Ich ziehe mich also in meine Kajüte zurück. Eine Flasche für dringende Fälle hab ich dabei.
Natürlich nicht mit Schnaps gefüllt! Nur für die Post. Prost.