Donnerstag, 15. November 2007

Zensur

Ich habe versucht, ein paar Beiträge im Forum zu lesen - aber es nun mit brummendem Schädel und schmerzenden Augen aufgegeben. So schlimm hatte ich mir das mit der nun hautnah erlebten Zensur nicht vorgestellt.

Die Aktion hat mich aber auch weiterführend in eine sehr nachdenkliche Stimmung versetzt.
So brutal und augenscheinlich gibt es in unseren Breitengraden tatsächlich keine Beschränkungen der freien Rede und bevorzugten Lebensweise - Gott sei Dank! Aber trotzdem erlebe ich immer wieder eine andere, viel unterschwelligere Form der Zensur. Ich ertappe mich manchmal dabei, in "vorausseilendem Gehorsam" meiner Sprache, meinen Taten, ja sogar meinen Gedanken Fesseln anzulegen.

- weil ich nicht anecken will
- weil ich endlich sichtbaren, beweisbaren Erfolg haben will
- weil ich Verletzungen vermeiden möchte (eigene, aber auch fremde)
- weil ich auf manche brennende Frage eigentlich gar keine Antwort erhalten möchte

Mein innerer Zensor ist immer seltener weggeschaltet. Er verhindert die Ausreißer in meinem Gefühlskardiogramm. Sanfte gewungene Wellen sind das erwünschte grafische Endresultat.
Je älter ich werde, desto stärker hat er und ich mich im Griff.
Ist doch cool! Enttäuschungen tun nicht mehr weh. Träume fliegen nicht hoch genug, um auf dem Beton der Realität zu zerschellen. Beziehungen gehen nicht tief genug, um mit unerwarteten (W)Endungen Wunden zu reißen.

Aber bin es dann noch ich, der hier spricht?
Nur weil meine Sprache nicht jeder verstehen kann, muss ich sie ändern? Bis sie dann diejenigen verstehen, die mich in Wirklichkeit gar nicht erkennen können? Weil es nicht mehr ICH bin, der spricht?

Zensur tut viel mehr, als eine paar Worte aus dem Kontext löschen: Sie löscht den Sprecher, sein Denken, seine Erwartungen, sein Streben und Fühlen.
Ich will mich nicht länger zensurieren lassen. Schon gar nicht von mir selbst...

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Liebste Gabi,

auch ich musste sehr kämpfen mit den heutigen beiträgen bei Montsegur. und muss gestehe, dass ich die ganze Aktion nicht so gelungen finde. Als Symbol mag es angehen, aber was Zensur wirklich bedeutet, bekommt man nicht mit.

Und dass viele in Null Komma Nix einen Weg gefunden haben, sie geschickt zu umgehen, spricht auch für sich.

Die echte, gefährliche Zensur ist eben nicht so überdeutlich, so glasklar, so umwindbar. Vor allem, nein, lieber doch nicht "vor allem", aber: *auch* unsere eigene Zensur.

Wenn die so weit geht, dass man sich nicht mehr wiedererkennt - tja, was dann? Mir fällt kein gescheiter Schluss für diesen Satz ein. Es gibt viele.

Jedenfalls macht mich dein Posting traurig.

Ruth

teamor hat gesagt…

Ich bin auch traurig.
Das Bild, das ich von mir selbst habe, ist so zerbrechlich wie mein Selbstwertgefühl. Deswegen dachte ich, es mit einer Schutzhülle von Schubkraft umgeben zu haben.
Nun muss ich aber feststellen, dass die Schutzhülle aus dem falschen Material besteht. Sie schützt nicht den zerbrechlichen Kern, sie manipuliert ihn.
Und das ist sie schlimmste Form der Zensur...