Sonntag, 28. März 2010

Alles eine Frage der Zeit

Höchste Zeit für einen neuen Zwischenbericht!
Wie für alle ungeduldigen Menschen ist die Zeit - und vor allem der Umstand, dass sie vergeht, ohne sich nach persönlichen Bedürfnissen zu richten - mein größter Feind. Eine Woche ist seit meinem letzten Eintrag vergangen. Ich hatte zehn Seiten geschrieben und war guter Hoffnung, dass ich nun ordentlich zulegen könnte. Aber ich hatte nicht mit der Zeit und ihrem begrenzten Potential gerechnet, was in ihren täglichen 24 Stunden unterzubringen sei.
Brotjob, private Ansprüche, kleine, mittlere und gröbere technische Gebrechen und die Notwendigkeit, darauf ohne Zeitverzögerung reagieren zu müssen, haben meinen Zeitplan gehörig ins Schleudern gebracht.
Und doch: Selbst wenn ich jeden Tag 24 Stunden nur für meine Geschichte gehabt hätte, wäre ich - so bin ich inzwischen fast schon davon überzeugt - heute um keine Zeile weiter als jetzt. Weil auch meine Protagonisten mehr Zeit von mir eingefordert haben, als ich ihnen ursprünglich zugestehen wollte.
Ihre Beziehungen untereinander sind komplexer, als ich dachte (und das ist sehr gut so! ich freu mich riesig über diese Entwicklung! Das will ich sicherheitshalber schnell anmerken, damit sie nicht sauer auf mich werden und ihre Kooperationsbereitschaft darunter leidet ...). Es gibt Zusammenhänge, die sich mein Ich-Erzähler erst aus der Nase ziehen hat lassen - nach langen nächtlichen Gesprächen, in denen er erst zögerlich und dann fast erleichtert aus sich herausgegangen ist. Ich fürchte, er weiß noch nicht, dass ich bisher geplant habe, ihn am Schluss über den Jordan zu schicken. Aber ich bin mir ohnehin noch nicht sicher, ob es wirklich notwendig sein wird. Also, lieber Lukas, noch besteht kein Grund zur Panik, sondern Hoffnung auf ein gnädiges Ende (ich hoffe, er merkt nicht, dass ich ihn und mich hinhalte ... wieder eine Frage der Zeit ...)

Da war also diese vergangene Woche. Von der ich dachte, ich würde noch und noch wunderbare Seiten voll wunderbarem Text produzieren. Und jetzt, am Ende dieser Woche, war ich gerade einmal auf Seite 20 angelangt. Trotzdem hatte ich viele, viele Seiten Text niedergeschrieben. In meinem Schreibtagebuch. Das ist jetzt also nach dieser vergangenen Woche voll mit Gedanken, Gesprächen, Geständnissen, Gefühlsbezeugungen - und ich fühle mehr und mehr, wie meine Figuren auch miteinander in Interaktion treten - außerhalb der Storyline, die es dann einzufangen gilt. Dieses Davongleiten, das Zügel-schießen-Lassen, ist nicht immer leicht für mich. vor allem, wenn ich unter Zeitdruck stehe. Denn ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren (und ehrlicherweise verliere ich sie ja auch in dieser Zeit!). Ich habe Angst, den Faden meiner Geschichte nicht mehr wiederzufinden und mich in den vielen Möglichkeiten, die sich mir bei so viel neuer Information auftun, zu verirren. Es hat mich beunruhigt, dass ich geschrieben und geschrieben habe, bis mir die Hand weh getan hat, ohne zu wissen, wofür ich all diese Dinge überhaupt brauche.
Heute kam dann der Punkt, an dem mir plötzlich klar war, dass ich wieder Herr der Geschichte sein darf. Nicht, dass ich sie zum Schweigen bringen und über ihre Bedürfnisse hinweggehen möchte. Aber ich hab gespürt, dass ich jetzt einmal eine Zäsur setzen muss. Die quasseln einen ja nieder, wenn man nicht aufpasst! Da könnte ich noch wochenlang hinterherschreiben, bis die Finger glühen! (Und ich werde es auch noch, versprochen!)
Jetzt war es an der Zeit, die vertieften Zusammenhänge in die Geschichte einzubauen. Ich habe gespürt, wenn ich nicht jetzt sofort wieder an meinen Plot anknüpfe, entgleitet er mir. Und in dem Augenblick, in dem ich das beschlossen hatte, konnte ich beruhigt die Datei öffnen und ein neues Kapitel schreiben. Alles Wissen um meine beiden Hauptakteure war mir zu Diensten und ich konnte in Ruhe aus dem Vollen schöpfen. Die Angst um den Plot war verschwunden. Und ich weiß, dass es mir zu keinem Moment früher möglich gewesen wäre.
Ist ja doch alles eine Frage des richtigen Zeitpunkts ...

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