Im Gegensatz zu früher hat sich das Schreiben für mich doch ziemlich verändert.
Als ich noch unbedarft und frei von jeglichem theoretischen Wissen um Plot, Spannungsaufbau oder Dramaturgiepunkte vor mich hin fabuliert habe, wusste ich noch nicht einmal, was eine Perspektive beim Schreiben eigentlich ist. Ich schrieb die Gedanken auf, wie sie mir so durch den Kopf geschossen sind. Mal von der einen Warte aus, dann wieder von der anderen - je nachdem, wer gerade mehr zu sagen oder zu denken hatte. Das war ein sehr unbelastetes Schreiben. Es ging irgendwie auch schneller und leichter von der Hand. Ich liebte schöne Formulierungen (naja, das tu ich ehrlich gesagt immer noch :-)) und ordnete ihnen so manche Szene unter. Um in Beschreibungen von Landschaften, Gefühlen oder Stimmungen schwelgen zu können, habe ich schon mal Spannungsbogen oder Logik für den speziellen Fall zurecht gebogen.
Ich habe ja schon lange nichts mehr von den Texten gelesen, die ich damals so geschrieben habe - früher, als es in meinem Leben noch kein Schreibforum, keine Workshops und keine Autorenfreundschaften zu viel gebildeteren Menschen, als ich es jemals sein werde, gab. Aber ich bin sicher, dass ich wohl öfter den Kopf schütteln und die Hände ringen werde ob so viel Missachtung sämtlicher Regeln der Schreibkunst.
Andererseits war es schon auch eine schöne Schreibzeit.
Ich war viel weniger selbstkritisch. Ich war einfach überzeugt davon, dass ich richtig gut schreiben kann - schließlich weiß ich doch auch, was ich gerne lese! Wieso sollte ich dann nicht so etwas auch niederschreiben können. Mit diesem Rüstzeug machte ich mich an das Werk. Und es hat richtig viel Spaß gemacht! Wenn sich mal irgendein logisches Problem ergeben hat, hab ich einfach eine passende Lösung dazuerfunden - und schon ging es munter weiter. Kein Plan, kein Plot, kein Gedanke an einen Spannungsbogen, einen Anfang, einen Höhepunkt und ein Ende. Das kam schon alles irgendwie.
Wie komme ich jetzt um Himmels Willen von meinen ersten 3 Kapiteln, die ich heute fertig bekommen hab, zu diesen ausschweifenden Überlegungen über die chaotischen Anfänge meiner Schreibzeit?
Tja. Der Gedankengang war ebenso geradlinig wie rückführend.
Bei meinem aktuellen Roman habe ich einfach all das im Vorfeld beackert, was ich am Anfang meiner Schreibtätigkeit noch nicht einmal gekannt habe.
Ich weiß, wer wann welche Perspektive bekommt. Habe die Dramaturgiepunkte bestimmt und mich von ihnen in der Kapitelplanung leiten lassen. Ich kenne alle Stationen, die meine Portagonisten durchlaufen werden. Weiß, wo sie sich wann warum wie fühlen und habe ihre Reiseroute im Routenplaner gecheckt. Ich könnte mir sogar ausrechnen, wieviele Seiten am Tag ich schreiben muss, um rechtzeitig zum Abgabetermin mit dem Roman fertig zu sein.
Aber das alles ändert im Grunde gar nichts daran, dass ich mich darauf freue, wann sie mich zum ersten Mal überraschen und an meinem sauberen Plan rütteln werden. Denn in diesem Moment werde ich wissen, dass meine Figuren so lebendig in mir sind, wie es die Chaoten waren, die mir zu Beginn meiner Schreiblaufbahn die Texte diktiert haben.
Der Unterschied ist dann nur der, dass ich weiß, an welcher langen Leine ich sie laufen lasse. Und dass ich sie zurückpfeifen kann, wenn sie meine Pläne nicht erweitern, sondern aus dem Konzept reißen wollen.
Bisher sind sie aber ganz brav und gesittet. Doch ich habe ja auch erst 3 Kapitel ...