Die Arbeit an diesem Roman hat viel von mir gefordert.
Abgesehen von meinem zweiten Anlauf (für den er nichts kann), habe ich das letzte Monat meine Sozialkontakte auf ein Minimum beschränkt, meine Familie auf Tiefkühlkost-Selbstversorger umgestellt, meine Schreibzeit gegen den Morgen ausgedehnt und meinen Arbeitgeber mit plötzlichen Einschlafattacken zur Verzweiflung gebracht.
Aber es hat sich sowas von gelohnt!
Heute liegt er (virtuell) vor mir: 211 Seiten, gestriegelt und gebürstet. Auf Herz und Nieren geprüft und in das erstere geschlossen. Ich bin einfach nur glücklich, diesen Roman geschrieben zu haben.
In der Rückschau muss ich sagen, dass gerade die Arbeit an diesem Buch tiefe Spuren bei mir hinterlassen hat (abgesehen von den dunklen Augenringen und den Falten im Gesicht :-)).
Die Recherche zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien, und besonders die Geschehnisse in Bosnien haben mich nicht nur betroffen gemacht, sie haben mich sensibilisiert. Für die Lebensbedingungen der damaligen Flüchtlinge in unserem Land einerseits, aber auch die Zustände, die heute noch, 14 Jahre nach Ende des Kriegs, immer noch an den ehemaligen Kriegsschauplätzen herrschen.
Ich habe eine tolle Organisation kennengelernt und mit vielen großartigen Menschen Kontakt aufgenommen. Ich höre Nachrichten mit anderen Ohren. Begegne den Menschen in unseren Straßen mit anderen Augen.
Mein Herz schlägt schneller, wenn ich erfahre, dass einer der Redelsführer des Massakers von Srebrenica sich vor dem Gerichtshof in Den Haag verantworten muss. Ich lebe mit den Angehörigen mit, die auf eine späte Gerechtigkeit hoffen.
Aber das Eindringen in die Geschichte eines unserer Nachbarländer war nur die eine Facette.
Die andere war ein hautnahes Einlassen auf die Figuren, die ich in die Welt gesetzt hab. Das heißt: Eigentlich haben sie mich gefunden. Wahrscheinlich gab es sie schon längst und ich hab ihnen nur eine Plattform geboten, auf der sie sich artikulieren konnten.
Es war ziemlich harte Arbeit, ihnen wirklich genau zuzuhören. Und ohne die mahnende Stimme meiner einzigartigen Testleserin hätte ich mich noch hundertmal davor gedrückt, ihre wahren Höhen und Tiefen auszuloten und ihnen damit gerecht zu werden.
Jetzt aber sind sie fertig.
Und ich hab das Gefühl, es sprengt mir den Brustkorb vor Freude, dass ich sie geboren habe.
Noch lege ich markantes Gluckenverhalten an den Tag. Ich kann nicht gleich loslassen und sie wegschicken. Ein bisschen will ich sie noch für mich behalten. Unangetastet und in weicher Eierschale.
Aber morgen gehen sie dann ihren Weg.
Wenn ich es schaffe, auf den Senden-Knopf zu drücken.
Ich habe keine Angst, dass sie sich nicht zurechtfinden könnten.
Ich habe Angst, dass sie niemand so verstehen kann, wie ich!
Aber an diese Möglichkeit werde ich mich wohl gewöhnen müssen ...