Sonntag, 26. Februar 2012

Schreib-Reha, Tag 2

Ich fühle mich wie bei den ersten Schritten nach einem Beinbruch: Die Bewegungen sind ungelenk, ich vertraue mir nicht wirklich. Tragen meine Knochen schon wieder das ganze Gewicht? Darf ich sie so belasten, wie ich es gewohnt war? Ich bin unsicher. Trete nur mit Viertelgewicht auf - und bin ständig in Versuchung, mich wenigstens für einen Moment hinzusetzen. Fünf Meter ringen mir einen Zeitaufwand ab, in dem ich normalerweise einen Halbmarathon gelaufen wäre. Ich hinterfrage jede Bewegung. Würde am liebsten jeden Zentimeter des Bodens unter mir schon im Vorfeld auf alle möglichen Unebenheiten untersuchen, um nicht doch noch über eine Bodenwelle zu stolpern. Und selbst nach akribischer Prüfung vertraue ich meiner Einschätzungsfähigkeit nicht. Schließlich hatte mein Knochenbruch ja eine Ursache, die wohl bei meiner Unfähigkeit im korrekten Gehen zu suchen sein dürfte.

Noch dramatischer als hier bei diesem Blogeintrag lösche ich in meinem aktuellen Wiedereinstiegs-Versuchsprojekt mehr Formulierungen, als ich letztlich durchwinke. Ich überarbeite jedes einzelne Wort so oft, dass ich am Ende den Eindruck habe, weiter zurück zu liegen, als ich begonnen hatte. Und doch wieder irgendwo am Start zu stehen. Nach Stunden vor dem Bildschirm sind die gefühlten 20 geschriebenen Seiten in Wirklichkeit zwei Absätze. Die sind dafür zwanzig Mal überarbeitet, gelöscht, neu formuliert, wieder gelöscht, ohne echte Überzeugung mal gelassen und nach dem nächsten Satz erneut nach treffenderen Bezeichnungen untersucht.
Und trotzdem bin ich stolz auf meine beiden Absätze, die ich für heute einmal akzeptieren will (bis ich sie morgen wahrscheinlich wieder in alle Einzelteile zerlege, um nach den einzig wahren, passenden Ausdrücken zu fahnden).

Ich bin auf Reha. Schreib-Reha. Ich kann nicht annehmen, mich schon nach den ersten vorsichtigen Dehnübungen für die Olympiade qualifizieren zu können. Und sicher ist es auch kein Zufall, dass gerade ein Anthologie-Beitrag in der Pipeline an erster Stelle steht. Das Ziel ist vom Start weg in Sichtweite, selbst wenn ich für jeden Satz fünf Tage brauchen sollte ...

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