Freitag, 25. April 2008

Ein Experiment

Ich habe kürzlich zu einem meiner unermüdlich-Wasser-mit-einem-Eimerchen-aus dem-sinkenden-Schiff-schöpfenden Herzensmenschen gemeint, ich würde erst wieder etwas von mir geben, wenn ich auch etwas zu SAGEN hätte. Wie die wirklich Liebenden ließ sie mich gewähren. Dabei bin ich mir sicher, dass sie es genauso gut weiß, wie ich:
Darauf zu warten, bis sich die Fledermaus-Stellung von selbst in den Flügelschlag eines Phönix verwandelt, bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur das Ende dieses Blogs, sondern vielmehr das Ende meiner Schreibambitionen. Irgendwann hört es auf, auf Rettung zu drängen und weh zu tun. Wie die an sich unendliche erste Liebe irgendwann einmal nur mehr eine Erinnerung ist, die einen lächeln, aber nicht mehr weinen lässt.

Ich habe einen Aufruf erhalten. Wieder einmal meldet sich das Netzwerk, obwohl ich selbst gerade gar keine Hand (auf)halte. Seit gestern denke ich darüber nach, ob ich es schaffe, mich selbst zu überlisten. Ob ich einfach so tun sollte, als gäbe es das Klebeband um meine Kreativität nicht. Als könnte ich die plötzlich abgerissenen Fäden mit dem Material gerade dieser Fesseln wieder neu aufgreifen und knüpfen. Es klingt verdammt verlockend.

Aber auch wenn ich diesen hundertsten neuen Anlauf wieder nicht schaffe - ich möchte den Versuch auch inklusive einem möglichen Scheitern hier dokumentieren. Ich werde den Blog zu meinem Kommentator machen. Meine Babyschritte aus der Fledermaushöhle werde ich beschreiben und ihnen mit dem Kitt der formulierten Gefühle einen festeren Auf-Tritt verschaffen.

Auf dem letzten Wien-Treffen im März bekam ich den Tipp, mich einfach einmal hinzusetzen und blind vor mich hin zuschreiben. Eine halbe Stunde lang. Die Gedanken fließen zu lassen, ohne Ziel, ohne Stilpolizei, ohne Sinn oder Zweck. Es wäre befreiend, hat man mir prophezeit.
Inzwischen habe ich viele, viele Stunden vor meinem Computer verbracht. Habe viele, viele Worte und Sätze formuliert. Aber ich habe diesen Ratschlag nicht befolgt. Wie bei so vielem in den letzten Monaten kann ich nicht begründen, warum nicht. Vielleicht, weil ich stur und alt bin - oder weil ich die Zerrüttung meines Selbstbildes vollenden wollte.

Beim Tarot finde ich die Karten am Spannendsten, die Zerstörung vor den radikalen Neubeginn setzen. Zu Beginn dieses Jahres hatte ich bei meinem Jahreshoroskop zwei dieser Karten an zentralen Stellen liegen. Man mag davon halten, was man will - und ich frage mich selbst immer wieder, ob diese Gradwanderung zwischen Spaß und Glauben nicht manchmal zu einer "self-fulfilling prophecy" wird - aber manchmal ermöglicht ein Hängen mit dem Kopf nach unten einen neuen Blickwinkel auf sich selbst und die Welt, die man um sich herum fein eingerichtet hat.

Es gibt Menschen, die erzählen, wie sich ihr Leben nach einem einschneidenden Erlebnis, wie etwa einem Autounfall oder einem großen Verlust, verändert hat. Ich habe Glück. Meine Fahrkünste sind nicht schlecht genug, um meinen Schutzengel zu überfordern und ich habe immer noch ein sehr schönes Dach über dem Kopf und jeden Tag reichlich Auswahl im Kühlschrank. Offenbar wollte ich mich auf anderem Wege entthronen. Und weil ich stur und alt bin, war der Sessel klebrig und der Hintern schwer. Es hat eben die Monate gebraucht, mich endlich kopfüber von der Fledermaushöhlendecke baumeln zu lassen.

Vielleicht ist ja der Augenblick da, wieder neues Vertrauen in die zerknitterten Flügel zu fassen. Vielleicht ist das aber auch schon zu viel verlangt und ich sollte erst einmal einen Haxen ausstrecken, um an der Wand nach einer Ritze zu suchen, in die ich meine Kralle setzen kann.
Ich werde versuchen, das Tempo zu akzeptieren, das einer licht- und bewegungsentwöhnten Fledermaus gerecht wird. Und ich werde mich darin üben, in kleinen Bewegungen (und seien sie erst einmal auch eher seit- als vorwärts) große Erfolge zu sehen.

Viele meiner guten Vorsätze des letzten halben Jahres sind genau an diesem Punkt in einem "Franz", "Erwin" oder "Emma" zu Granulat zerstäubt worden. Diesem Effekt versuche ich erstmals sein "Sturmtief" zu entziehen. Und was könnte das besser, als das geschriebene Wort?

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Meine liebe, sture, alte Fledermaus!

Ich begrüße das alles sehr! Es klingt nach einem Neubeginn, der nicht versucht, sich über die Gegebenheiten hinwegzusetzen, die da wären: Steifheit der kreativen Gelenke, bündiges Abschließen des Selbstbewusstsein mit dem Meeresspiegel und eine gewisse Lichtempfindlichkeit gegenüber dem geschriebenen Wort.

Wenn ich mit Sonnenbrille, Ellenbogenschonern oder Schnorcheln dienen kann, weißt du, wo du mich findest...

Bussi,

Ruth